Der Krieg hinter den Kulissen des Vatikans
Markus Gärtner
Seit Papst Franziskus 2013 in Rom als Oberhaupt der katholischen Kirche fungiert, fliegen hinter den vatikanischen Kulissen die Fetzen. Das ist der Eindruck, den der völlig gebannte Leser durch das neue Buch des italienischen Starjournalisten Gianluigi Nuzzi mit dem Titel »Alles muss ans Licht« gewinnt. Nuzzi hat serienweise geheime Dokumente aus der Kurie in Rom zugespielt bekommen und sie zu dem vorliegenden Buch verarbeitet. Es könnte spannender kaum sein.
Während Nuzzis Leser über den Titanen-Kampf zwischen dem Reform-Papst und der maßlos Geld verschwendenden sowie reformfeindlichen Kurie staunen – und kaum das Buch aus der Hand legen können –, wird der Autor zusammen mit dem Journalisten Emiliano Fittipaldi vor dem Gericht des Vatikanstaats seit November der Prozess gemacht. Drei mutmaßliche Informanten der beiden Enthüllungsjournalisten wurden auch gleich mit angeklagt.
Ihnen drohen langjährige Haftstrafen für die unerlaubte Publikation vertraulicher Vatikan-Dokumente. Das zeigt, wie brisant »Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes« ist. Als solchen beschreibt Nuzzi im Untertitel – und auf nahezu 400 spannenden Buchseiten – den Kampf von Franziskus gegen die klerikalen Betonköpfe in den Topetagen der vatikanischen Hierarchie.
Diese bekämpfen jede Veränderung vehement und geben im Kampf »Gut gegen Böse« nur Zentimeter für Zentimeter nach, wenn überhaupt. Nuzzi war es wichtig, in seinem Buch darauf hinzuweisen, dass die Revolution von Franziskus »wohlgemerkt mit der beispiellosen Rücktrittsgeste von Benedikt XVI. ihren Anfang nahm«.
Wie dramatisch, korrupt und chaotisch es in den Fluren der mit Finanzen und Wirtschaftsfragen befassten Leitungsorgane des Heiligen Stuhls zugeht, das wird dem verblüfften Leser dieses Buches praktisch Seite für Seite mit immer neuen Belegen und Beispielen vor Augen geführt. Man fühlt sich zwischen den Zeilen dieses Buches manches Mal wie in den Katakomben der Peterskirche, und ständig huschen dubiose Schattengestalten an einem vorbei, mit Brieftaschen voller Geld.
Franziskus hat laut dem Autor nichts Geringeres als eine »Revolution« gegen seine eigene Kirchen-Hierarchie gestartet, weil er, wie Nuzzi sagt, während seines Pontifikats »den undurchsichtigen Geschäften und Privilegien im Inneren der Kurie den Kampf ansagen und die Kirche in die Welt hinaustragen« will.
Dieser »Krieg«, wie Nuzzi die Kampagne des Papstes zur Bereinigung der kircheneigenen Finanzhierarchie nennt, begann am 3. August 2013. Der Krieg in den heiligen Fluren, so schreibt er, kennt weder »Regeln noch Grenzen«.
Und er wurde wie ein Blitzkrieg gestartet. Nur fünf Monate nach der Papstwahl schlug Franziskus bereits mit voller Wucht zu. Er machte mit der persönlichen Einsetzung der so genannten Cosea-Kommission an diesem Tag vor zweieinhalb Jahren im Gästehaus Santa Marta die Aufdeckung der Wirtschafts- und Finanzmachenschaften am Heiligen Stuhl zur Chefsache.
Nuzzi hat sich dank seiner hervorragenden »Quellen« eine Live-Aufnahme dieses bahnbrechenden internen Meetings, an dem der Papst umgeben von alten Fresken und riesigen Himmelskarten selbst teilnahm und für einen zur Diplomatie erzogenen Kirchenmann Tacheles redete, gesichert.
»Dieses Buch«, schreibt der Autor, »erzählt die Geschichte dieses Krieges: mit bislang noch nie veröffentlichten Dokumenten und mit den Beweisen für die gigantischen und scheinbar nicht aufzuhaltenden kriminellen Machenschaften, denen der Papst mit Mut und beispielloser Entschlossenheit den Kampf ansagt«.
Seitdem drehen die reformorientierten Gefolgsleute des Jesuiten aus Argentinien quasi jeden Kieselstein im Vatikan und auf dessen Konten um. Sie spüren Spenden nach, kontrollierenBuchungen, sezieren die Bilanz der Vatikanbank, prüfen Budgetentscheidungen und unsinnige Ausgaben, decken verborgene »Geisterkonten« auf und rekonstruieren auffällige Geldströme. Sie spüren, wie Nuzzi es sagt, einer»unsäglichen und dramatischen Wahrheit nach«, darunter auch dubiosen Privilegien von Kardinälen.
Jene, die die Cosea-Kommission ins Visier nimmt, wehren sich nicht nur mit Händen und Füßen, sie gehen zum Gegenangriff über. Sie drohen dem Papst, brechen nächstens in die Safes der Kommission ein, um belastende Dokumente zu stehlen, und schreiben Brandbriefe. Diesem Angriff auf die Reformen von Franziskus widmet Nuzzi den mittleren Teil seines Buches. Ein Wall-Street-Krimi kann diesen Roben-Thriller kaum noch toppen.
Er schließt mit jenem dramatischen Brief ab, den Mitglieder des Rats der Revisoren in der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls Ende Juni 2013 an Franziskus richteten und damit halfen, die Revolution zu starten, um die es in diesem Buch geht. In dem Schreiben an den »Heiligen Vater« hieß es:
»Der Rechnungslegung des Heiligen Stuhls und des Governatorats mangelt es an jeglicher Transparenz. Die fehlende Transparenz macht es unmöglich, eine Aussage über die tatsächliche finanzielle Situation sowohl des Vatikans insgesamt als auch seiner einzelnen Teile zu treffen … Wir wissen lediglich, dass die von uns geprüften Zahlen eine sehr ungünstige Entwicklung erkennen lassen, und hegen den starken Verdacht, dass der Vatikan als Ganzes ein ernsthaftes, strukturelles Defizit aufweist … Die allgemeine Finanzverwaltung im Vatikan kann man bestenfalls als dürftig bezeichnen.«
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